Weiterentwicklung der IV: Verordnungsbestimmungen in der Vernehmlassung

Bern, 04.12.2020 - Die Weiterentwicklung der IV (WEIV) bringt Verbesserungen für Kinder, Jugendliche und Menschen mit psychischen Problemen. Im Zentrum steht eine intensivere Unterstützung der Betroffenen, um der Invalidisierung vorzubeugen und die Eingliederung zu verstärken. Das Parlament hat die Gesetzesrevision im Sommer 2020 verabschiedet. Sie soll 2022 in Kraft gesetzt werden. Die Umsetzung bedingt umfangreiche Anpassungen verschiedener Verordnungen. Dazu hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 4. Dezember 2020 die Vernehmlassung eröffnet. Sie dauert bis zum 19. März 2021.

Die Verordnungsregelungen betreffen unter anderem die folgenden bedeutenden Neuerungen der WEIV.

Massnahmen zur beruflichen Eingliederung werden intensiviert

Die WEIV hat zum Ziel, insbesondere Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Einschränkungen und psychisch erkrankte Versicherte noch gezielter zu unterstützen, um ihr Eingliederungspotential zu stärken und die Vermittlungsfähigkeit weiter zu verbessern. Unter anderem intensiviert die IV dazu die Zusammenarbeit insbesondere mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie den Arbeitgebenden als beteiligten Akteuren, was auf Verordnungsstufe geregelt wird. Weiter werden die neuen und die bestehenden Massnahmen für Jugendliche aufeinander abgestimmt und näher am ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet.

Geburtsgebrechen: Liste wird aktualisiert

Mit der WEIV werden klare Kriterien im Gesetz festgeschrieben für den Entscheid, ob ein Leiden als Geburtsgebrechen gilt und somit die IV die Behandlungskosten übernimmt. Die Liste der Geburtsgebrechen wird aktualisiert. Leiden, die heute einfach respektive mit geringem Aufwand behandelt werden können, werden künftig von der Krankenversicherung übernommen. Umgekehrt werden Leiden aufgenommen, namentlich seltene Krankheiten, deren Behandlungskosten neu durch die IV getragen werden.

Die laufende Pflege der Geburtsgebrechen-Liste wird dem Eidgenössischen Departement des Innern übertragen, weshalb die heutige Bundesratsverordnung (Geburtsgebrechen-Verordnung GgV) durch eine Departementsverordnung (GgV-EDI) ersetzt wird. Dies erleichtert die regelmässige Aktualisierung. Die Kriterien zur Aufnahme eines Geburtsgebrechens in die Liste werden neu ausführlich in der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV) geregelt.

Übernahme von Medikamenten: Schaffung eines Kompetenzzentrums

Bei anerkannten Geburtsgebrechen übernimmt die IV auch die Kosten für Arzneimittel. Um Prozesse zu vereinfachen und die fachlichen Kompetenzen zu konzentrieren, soll neu eine IV-Arzneimittelliste (Geburtsgebrechen-Spezialitätenliste GG-SL) geschaffen werden. Darauf werden die Medikamente aufgeführt, welche die IV vergütet, sowie deren Höchstpreis. Für die Aufnahme in die Liste wird ein Verfahren zur Prüfung von Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit durchgeführt. Die neue IV-Arzneimittelliste löst die bestehende Geburtsgebrechenmedikamentenliste (GGML) ab. Die von der IV vergüteten Arzneimittel werden, nachdem die versicherte Person das 20. Altersjahr vollendet hat, im gleichen Umfang von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen werden.

Für das Aufnahmeverfahren und für die Führung der GG-SL wird ein Kompetenzzentrum im Bundesamt für Gesundheit eingerichtet, da dieses aufgrund seiner Zuständigkeit für die analoge Spezialitätenliste der Krankenversicherung bereits über die entsprechende Erfahrung verfügt.

Medizinische Gutachten: Massnahmen für Qualitätssicherung und Transparenz

Im Rahmen der WEIV werden die Abklärungsmassnahmen und das Verfahren im Zusammenhang mit medizinischen Begutachtungen für alle Sozialversicherungen einheitlich geregelt. Bei der Vergabe von Gutachtensaufträgen sollen sich Versicherung und versicherte Person einvernehmlich auf einen Auftragnehmer einigen. Zudem soll bei den Begutachtungen mehr Transparenz geschaffen werden, indem die Interviews der Sachverständigen mit den versicherten Personen neu mit einer Tonaufnahme erfasst und zu den Akten genommen werden. Spezifisch für die IV ist vorgesehen, dass die IV-Stellen eine öffentlich zugängliche Liste mit Angaben zu den von ihnen beauftragten Sachverständigen führen (Anzahl der getätigten Gutachten, Vergütungen, attestierte Arbeitsunfähigkeiten, Beurteilung der Gutachten in Gerichtsentscheiden).

Zudem sollen neu auch die bidisziplinären Gutachten nur noch an zugelassene Gutachterstellen und nach dem Zufallsprinzip vergeben werden, was heute nur für die polydisziplinären Begutachtungen gilt. Um die Qualität der Begutachtungen zu sichern, wird eine unabhängige, ausserparlamentarische Kommission geschaffen. Auf Verordnungsstufe sollen die Aufgaben und Kompetenzen dieser Kommission geregelt werden. Im Weiteren werden für die medizinischen Sachverständigen Anforderungen an ihre beruflichen Qualifikationen definiert.

Mehrere dieser Massnahmen entsprechen den Empfehlungen des im Oktober 2020 veröffentlichten Expertenberichts zur medizinischen Begutachtung in der Invalidenversicherung.

Klarere Regelung für die Bemessung des IV-Grads

Mit der Einführung des stufenlosen Rentensystems durch die WEIV erhält die prozentgenaue Erhebung des IV-Grades einen höheren Stellenwert. Denn für die Rentenhöhe kommt es neu auf jedes Prozent IV-Grad an. Um die Rechtssicherheit und Einheitlichkeit zu erhöhen, werden die wichtigsten Grundsätze zur Bemessung des Invaliditätsgrades neu auf Verordnungs- statt auf Weisungsstufe geregelt. Bei Teilerwerbstätigen, beim Vergleich des Einkommens vor und des erzielbaren Einkommens nach der Invalidität, bei Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung, bei Geburts- und Frühinvaliden sowie bei unterdurchschnittlichen Einkommen vor der Invalidität werden Regelungen geklärt, was den Versicherten in verschiedener Hinsicht entgegenkommt. 


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Stefan Ritler, Vizedirektor
Leiter Geschäftsfeld Invalidenversicherung
Bundesamt für Sozialversicherungen
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