Bundesrat setzt Strukturreform und Bestimmungen zur Finanzierung von Vorsorgeeinrichtungen der öffentlichen Hand in Kraft

Bern, 14.06.2011 - Der Bundesrat hat am 10. Juni 2011 die Verordnungsbestimmungen zur Umsetzung der Strukturreform in der beruflichen Vorsorge verabschiedet. Die zentralen Elemente der Reform sind die Verbesserung von Transparenz, Governance und Unabhängigkeit sowie die Stärkung und Neuordnung des Aufsichtssystems mit einer verwaltungsunabhängigen Oberaufsichtskommission. Gleichzeitig mit der Strukturreform hat der Bundesrat auch die Bestimmungen über die Finanzierung von Vorsorgeeinrichtungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften in Kraft gesetzt. Sie sollen die finanzielle Sicherheit dieser Vorsorgeeinrichtungen gewährleisten.

Das Parlament hat am 19. März 2010 die Strukturreform in der beruflichen Vorsorge beschlossen. Diese Teilrevision des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge BVG hat zum Ziel, Transparenz und Governance bei der Führung und Vermögensverwaltung von Vorsorgeeinrichtungen zu stärken. Ein zentrales Postulat ist auch die Förderung der Unabhängigkeit der wichtigsten Akteure in der 2. Säule. Die Direktaufsicht über die Vorsorgeeinrichtungen geht vom Bund an verwaltungsunabhängige kantonale bzw. regionale Aufsichtsbehörden über. Für die Oberaufsicht wird eine unabhängige Behördenkommission mit eigenem Sekretariat geschaffen.

Umsetzungsbestimmungen zur Strukturreform

Der Bundesrat hat nun die Umsetzungsbestimmungen auf Verordnungsebene verabschiedet. Die bisherige Verordnung über die Beaufsichtigung und die Registrierung der Vorsorgeeinrichtungen (BVV1) wird aufgehoben. An ihrer Stelle wird unter dem Titel Verordnung über die Aufsicht in der beruflichen Vorsorge eine neue BVV1 erlassen. Die Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV2) wird teilrevidiert. Zudem wird eine neue Verordnung über die Anlagestiftungen (ASV) geschaffen.

Die breite Vernehmlassung zu den Verordnungen zeigte, dass die grundsätzlichen Ziele und Inhalte der Strukturreform mitgetragen werden. Zu den Ausführungsbestimmungen gingen die Meinungen auseinander. Die Verordnungen wurden nach der Vernehmlassung substanziell überarbeitet. Die Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates und des Ständerates (SGK-S und SGK-N) wurden erneut konsultiert, und es gab aus den Kommissionen am Schluss keine Empfehlungen für weitere Anpassungen. Die beratende BVG-Kommission wurde insgesamt dreimal konsultiert, alle Anpassungen fanden schliesslich einhellige oder grossmehrheitliche Unterstützung.

Gestützt auf die Auswertung der Vernehmlassung und Gespräche mit diversen Akteuren wurden die Verordnungen substanziell überarbeitet. Wesentliche Änderungen erfuhren:

  • Artikel 1, 3, 7, 12, 18, 19, 20 der Verordnung über die Aufsicht in der beruflichen Vorsorge (BVV1):
    So wurde etwa der Geltungsbereich der BVV1 präzisiert; auf die Vorprüfung der Entwürfe von Verwaltungs-, Vermögensverwaltungs- und Arbeitsverträgen durch die Aufsichtsbehörde in der Gründungsphase einer Einrichtung verzichtet; die Garantiestellung auch mittels Vollversicherungsvertrag stipuliert und die Frist für die Durchführung paritätischer Wahlen auf ein Jahr nach Erlass der Aufsichtsübernahmeverfügung verkürzt.
  • Artikel 34, 35, 40, 46, 48a, 48b, 48c, 48f, 48g, 48h, 48i, 48j, 48k, 48l, III Übergangsbestimmungen der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invaliden¬vorsorge (BVV2):
    So wird etwa eine der Grösse und Komplexität der Einrichtung angemessene interne Kontrolle als genügend erachtet; wurden die Unabhängigkeitsanforderungen an Revisionsstelle und Experten für berufliche Vorsorge gestrafft; wurde das Verbot von Dauerverträgen gestrichen; müssen Art und Weise der Entschädigung sowie deren Höhe eindeutig bestimmbar schriftlich festgehalten werden und sind alle darüber hinausgehenden Vermögensvorteile der Vorsorgeeinrichtung zwingend abzuliefern; sind Geschäftsführer und Vermögensverwalter gegenüber dem obersten Organ anstatt der Revisionsstelle offenlegungspflichtig; wird für die Anpassung der Reglemente, Verträge und Organisation von Vorsorgeeinrichtungen eine Übergangsfrist bis 31. Dezember 2012 vorgesehen.
  • Art. 7, 10, 17, 23, 24, 26, 27, 28 der Verordnung über die Anlagestiftungen (ASV):
    Legiferiert wurde entsprechend dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen die heutige Praxis. Erleichterungen wurden aufgenommen etwa bei der Vorprüfung (nur Statuten und Reglemente) sowie bei der Fokussierung von Anlagegruppen (prozentuale Abweichung vom Index anstelle tracking error). 
  • Die personelle Ausstattung der Oberaufsichtskommission und ihres Sekretariats wurde auf 25,5 Stellen beschränkt. Das sind deutlich weniger als in der Botschaft zur Strukturreform veranschlagt (29,8 Stellen). Dadurch konnten die Kosten pro versicherte Person gegenüber der Vernehmlassungsvorlage von 1 Franken auf 80 Rappen pro Jahr gesenkt werden.

Ausführliche Angaben zu den Änderungen: siehe Faktenblatt 1, Seiten 3 und 4)

Zur Frage der Beaufsichtigung der Vermögensverwalter (vorgesehener Art. 48f Abs. 3 BVV2) wird der Bundesrat in Kürze einen separaten Beschluss fassen. Die Bestimmungen betreffend Transparenz und Governance treten auf den 1. August 2011 in Kraft. Die Vorsorgeeinrichtungen erhalten die Möglichkeit, ihre Organisation und Reglemente – wenn nötig – bis Ende 2012 anzupassen. Am 1. Januar 2012 treten die Bestimmungen zur Aufsichtsstruktur in Kraft, und die Oberaufsichtskommission wird dann ihre operative Tätigkeit aufnehmen.

Das Vertrauen in die 2. Säule erhalten und stärken

Mit der Strukturreform wurden die Bestimmungen betreffend Governance und Transparenz im Gesetz (BVG) verschärft. Die entsprechenden Bestimmungen werden durch die Anpassung der BVV2 präzisiert.

Neu werden an die Integrität und Loyalität aller mit der Verwaltung einer Vorsorgeeinrichtung oder deren Vermögen betrauten Personen konkrete Anforderungen gestellt (guter Ruf, einwandfreie Geschäftstätigkeit, Vermeidung von Interessenskonflikten). Rechtsgeschäfte, welche die Vorsorgeeinrichtungen mit Nahestehenden abschliessen, müssen offengelegt werden. Vermögensvorteile, die Personen und Institutionen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit für die Vorsorgeeinrichtung von Dritten erhalten, müssen zwingend an die Vorsorgeeinrichtung abgeliefert werden, wenn und soweit sie die vorgängig schriftlich vereinbarte Entschädigung überschreiten.

Neben dem sogenannten Front Running wird auch das Parallel und After Running (Nutzung von Insiderwissen aus der Tätigkeit für Vorsorgeeinrichtungen bei Börsengeschäften) verboten. Die Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten müssen in der Jahresrechnung detaillierter als bisher ausgewiesen werden. Um den Governance-Bestimmungen Nachdruck zu verleihen, sind auch die Strafbestimmungen im BVG entsprechend ergänzt worden.

Klarer umschrieben wurden auch die Aufgaben der Revisionsstelle, des Experten für berufliche Vorsorge und des obersten Organs von Vorsorgeeinrichtungen.

Die heutige Direktaufsicht des Bundesamtes für Sozialversicherungen über Vorsorgeeinrichtungen mit nationalem oder internationalem Charakter geht an die Kantone über. Die Oberaufsicht wird neu von einer unabhängigen Oberaufsichtskommission wahrgenommen, die ein professionelles Sekretariat erhält. Aufgabe der Kommission ist es, für eine einheitliche Aufsichtspraxis und die Stabilität des Systems der 2. Säule zu sorgen. Die kantonalen Aufsichtsbehörden müssen neu verwaltungsunabhängig in der Form einer öffentlich-rechtlichen Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestaltet werden.

Durch die Strukturreform werden schliesslich die Anlagestiftungen erstmals gesetzlich erfasst. Die neue Verordnung über die Anlagestiftungen (ASV) regelt wie durch das Gesetz aufgetragen den zugelassenen Anlegerkreis, die Äufnung und Verwendung des Vermögens, dessen Anlage, die Buchführung, Rechnungslegung und Revision, die Rechte der Anleger sowie organisatorische Aspekte. Die Bestimmungen orientieren sich im Wesentlichen an der heutigen Praxis. Die Anlagestiftungen werden von der Oberaufsichtskommission beaufsichtigt.

Finanzierung von Vorsorgeeinrichtungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften

Am 17. Dezember 2010 hat das Parlament die Bestimmungen zur Finanzierung der Vorsorgeeinrichtungen von öffentlich-rechtlichen Körperschaften verabschiedet. Die Neuerungen haben zum Ziel, die finanzielle Sicherheit dieser Vorsorgeeinrichtungen zu gewährleisten. Dazu wird das Modell des differenzierten Zieldeckungsgrades eingeführt und die Erreichung eines Deckungsgrads von 80 % innerhalb von 40 Jahren gefordert. Die Einrichtungen sollen zudem rechtlich, organisatorisch und finanziell aus der Verwaltungsstruktur herausgelöst und verselbständigt werden.

Die entsprechende Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge wird auf den 1. Januar 2012 in Kraft gesetzt. Für die Anpassung an die organisatorischen Anforderungen haben die Vorsorgeeinrichtungen aber Zeit bis Ende 2013.


Adresse für Rückfragen

031 322 90 57, Martin Kaiser, stv. Direktor, Leiter Geschäftsfeld Alters- und Hinterlassenenvorsorge, Bundesamt für Sozialversicherungen



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