Um die Pflege von gesundheitlich beeinträchtigten Angehörigen besser mit einer beruflichen Tätigkeit vereinbaren zu können, hat der Bundesrat einen Aktionsplan zur Unterstützung und Entlastung pflegender Angehöriger verabschiedet. Diese Massnahmen werden mit dem Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung umgesetzt.
Allgemeine Fragen
Es handelt sich um einen Mantelerlass, der mehrere Gesetzesänderungen umfasst. Mit den Massnahmen sollen betroffene Personen Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung besser vereinbaren können. Der erste Teil der Massnahmen ist seit dem 1. Januar 2021 in Kraft. Der zweite Teil, das heisst der vierzehnwöchige Urlaub, ist am 1. Juli 2021 in Kraft getreten.
Pflegende Angehörige sollen durch die folgenden vier Massnahmen entlastet werden:
- durch einen vom Arbeitgeber bezahlten Kurzurlaub. Der Kurzurlaub bezieht sich auf Arbeitsabwesenheiten, in denen Arbeitnehmende ein Familienmitglied oder die Lebenspartnerin bzw. den Lebenspartner (gemeinsamer Haushalt seit mindestens fünf Jahren) betreuen. Der Urlaub beträgt höchstens drei Tage pro gesundheitsbezogenes Ereignis und nicht mehr als zehn Tage pro Jahr.
- durch einen über die Erwerbsersatzordnung abgegoltenen längeren Urlaub. Der längere Urlaub gilt für Eltern, die ihre Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise unterbrechen, um ihr gesundheitlich schwer beeinträchtigtes Kind zu betreuen. In diesem Fall haben die Eltern Anspruch auf einen höchstens 14-wöchigen Urlaub, der innerhalb einer Rahmenfrist von 18 Monaten bezogen werden kann. Der Urlaub kann am Stück oder tageweise bezogen und zwischen den Eltern aufgeteilt werden.
- durch eine Erweiterung des Anspruchs auf Betreuungsgutschriften. Neu gilt der Anspruch auch für Fälle leichter Hilflosigkeit sowie für Paare in Lebensgemeinschaften.
- durch eine Erweiterung des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung und Intensivpflegezuschlag bei Spitalaufenthalt von Minderjährigen.
Ausserdem sollen mit einer fünften Massnahme die in den EL berücksichtigten Mietzinsmaxima für Personen in Wohngemeinschaften erhöht werden (siehe auch Fragen und Antworten zur EL-Reform).
Für Eltern von Kindern mit schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen (infolge schwerer Krankheit oder schweren Unfalls) ist ein längerer Urlaub vorgesehen. Die anderen Massnahmen (Kurzurlaub, Erweiterung des Anspruchs auf Betreuungsgutschriften, Hilflosenentschädigung und Intensivpflegezuschlag) richten sich an Familienmitglieder im weiteren Sinn (z. B. Lebenspartner/innen, Kinder, Eltern, Grosseltern, Stiefkinder). Die Anspruchsvoraussetzungen der einzelnen Massnahmen werden nachfolgend erläutert.
Betreuungsentschädigung (EO)
Die Betreuungsentschädigung wird an Eltern ausgerichtet, die ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen müssen, um ihr gesundheitlich schwer beeinträchtigtes minderjähriges Kind zu betreuen. Sie haben Anspruch auf einen höchstens 14-wöchigen Urlaub, während dem sie eine Entschädigung in der Höhe von 80 % ihres für die AHV massgebenden Einkommens erhalten.
Ein Anspruch besteht für Eltern, wenn ihr minderjähriges Kind durch Krankheit oder Unfall in seiner Gesundheit stark beeinträchtigt ist. Der Zivilstand der Eltern spielt dabei keine Rolle. Beim Unterbruch der Erwerbstätigkeit müssen die Eltern eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:
- arbeitnehmend oder selbstständigerwerbend sein
- im Betrieb des Ehemanns oder der Ehefrau mitarbeiten und einen Barlohn beziehen
- Taggelder der Arbeitslosenversicherung beziehen
- wegen Krankheit oder Unfall arbeitsunfähig sein und deshalb Taggelder einer Sozial- oder Privatversicherung beziehen
- in einem Arbeitsverhältnis sein, aber keinen Lohn mehr erhalten, da der Anspruch auf Lohnfortzahlung oder Taggelder ausgeschöpft ist.
Stiefväter und Stiefmütter können Anspruch auf die Betreuungsentschädigung haben, wenn sie einen gemeinsamen Haushalt mit dem Elternteil führen, der die alleinige oder gemeinsame elterliche Sorge und die Obhut innehat. Besteht mit zwei Elternteilen ein Kindesverhältnis, hat der Stiefelternteil nur dann Anspruch auf die Betreuungsentschädigung, wenn einer der Elternteile vollständig auf seinen Anspruch verzichtet.
Pflegeeltern haben Anspruch auf die Entschädigung, wenn sie das Pflegekind zur dauernden Pflege und Erziehung aufgenommen haben. Als Pflegeeltern gelten Personen, die ein minderjähriges Kind ausserhalb des Elternhauses aufnehmen und denen von der zuständigen Behörde eine entsprechende Bewilligung erteilt wurde.
Die Betreuungsentschädigung wird nur gewährt, wenn das Kind durch Krankheit oder Unfall in seiner Gesundheit stark beeinträchtigt ist. Das Kind darf das 18. Altersjahr beim Unterbruch der Erwerbstätigkeit noch nicht vollendet haben; der Anspruch endet aber nicht vorzeitig, wenn das Kind während der Rahmenfrist volljährig wird (siehe unten).
Die Betreuungs- und Pflegebedürftigkeit muss erheblich und fortdauernd sowie durch ein Arztzeugnis ausgewiesen sein. Ein Kind gilt als gesundheitlich schwer beeinträchtigt, wenn:
- eine einschneidende Veränderung seines körperlichen oder psychischen Zustandes eingetreten ist
- der Verlauf dieser Veränderung schwer vorhersehbar ist oder das Risiko einer bleibenden oder zunehmenden gesundheitlichen Beeinträchtigung besteht oder mit dem Tod zu rechnen ist
- ein erhöhter Bedarf an Betreuung durch die Eltern besteht
- mindestens ein Elternteil die Erwerbstätigkeit für die Betreuung des Kindes unterbrechen muss.
Ein Rückfall nach einer längeren Zeit ohne Symptome gilt als neuer Fall, der einen neuen Anspruch auf Betreuungsurlaub auslöst.
Die Behinderung an sich gilt nicht als schwere gesundheitliche Beeinträchtigung im Sinne des Gesetzes. Deshalb besteht kein Anspruch auf die Betreuungsentschädigung, wenn der Gesundheitszustand des behinderten Kindes stabil ist. Eltern behinderter Kinder können deshalb nur Anspruch auf die Betreuungsentschädigung haben, wenn es dem behinderten Kind akut schlechter geht. Es muss daher eine einschneidende Veränderung seines körperlichen oder psychischen Zustandes eingetreten und der Verlauf dieser Veränderung schwer vorhersehbar sein oder es muss mit einer bleibenden oder zunehmenden Beeinträchtigung oder dem Tod gerechnet werden. Ausserdem muss ein erhöhter Betreuungsbedarf durch die Eltern bestehen und mindestens ein Elternteil die Erwerbstätigkeit für die Betreuung des Kindes unterbrechen.
Insgesamt haben die Eltern Anspruch auf 14 Wochen Urlaub, das heisst 98 Taggelder, die sie innerhalb der Rahmenfrist von 18 Monaten beziehen können. Sie können die Taggelder frei aufteilen, wie es für ihre Situation am besten passt. Beispiel: Wenn beide Eltern erwerbstätig sind, haben sie grundsätzlich Anspruch auf je 7 Wochen Betreuungsurlaub. Es kann aber auch ein Elternteil alle 14 Wochen beziehen. Oder ein Elternteil bezieht 10 Wochen, der andere 4. Können sich die Eltern nicht einigen, haben beide Anspruch auf 7 Wochen.
Wenn nur ein Elternteil erwerbstätig ist, kann dieser dennoch den Urlaub und die Betreuungsentschädigung beziehen. Ist ein Elternteil nicht erwerbstätig, hat der erwerbstätige Elternteil trotzdem Anspruch auf den Betreuungsurlaub und die Betreuungsentschädigung.
Urlaub für die Betreuung von Angehörigen (Kurzurlaub)
Der Urlaub für die Angehörigenbetreuung wird vom Arbeitgeber bezahlt. Er wird für Arbeitsabwesenheiten gewährt, in denen Arbeitnehmende ein Familienmitglied oder die Lebenspartnerin bzw. den Lebenspartner betreuen.
Anspruch haben alle Arbeitnehmenden, die dem Obligationenrecht unterstellt sind und ein gesundheitlich beeinträchtigtes Familienmitglied betreuen. Als Familienmitglieder gelten Verwandte in auf- und absteigender Linie (hauptsächlich die Eltern und die Kinder) und die Geschwister. Hinzu kommen die Ehegattin bzw. der Ehegatte, die eingetragene Partnerin bzw. der eingetragene Partner, die Schwiegereltern sowie die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner, die oder der mit der arbeitnehmenden Person seit mindestens fünf Jahren einen gemeinsamen Haushalt führt. Als Kinder gelten diejenigen Personen, mit denen die Vaterschaft im zivilrechtlichen Sinne begründet ist. Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins fallen nicht unter diese Definition.
Der Urlaub wird im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gewährt. Anspruch haben somit Arbeitnehmende. Diese müssen den Arbeitgeber informieren und mit ihm die konkreten Modalitäten vereinbaren.
Die Dauer des Urlaubs beträgt höchstens drei Tage pro Ereignis. Pro Jahr können Arbeitnehmende für die Angehörigenbetreuung maximal zehn Tage Urlaub beanspruchen. Die Betreuung von Kindern oder der Ehegattin bzw. des Ehegatten ist übrigens auch durch die allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen zur Lohnfortzahlung bei Verhinderung des Arbeitnehmers abgedeckt.
Ja, der Urlaub kann auch für Angehörige beantragt werden, die im Ausland wohnen. Die konkreten Modalitäten sind mit dem Arbeitgeber zu klären.
Ja, während des Kurzurlaubs zahlt der Arbeitgeber den Lohn ohne Kürzung aus.
Da es sich um eine Arbeitsabwesenheit handelt, informiert die arbeitnehmende Person den Arbeitgeber frühzeitig.
Der Anspruch auf Kurzurlaub gilt seit dem 1. Januar 2021 für Arbeitsabwesenheiten ab diesem Datum.
Der Kurzurlaub ist in Artikel 329h des Obligationenrechts und in Artikel 36 Absatz 3 und 4 des Arbeitsgesetzes verankert.
Betreuungsgutschriften (AHV)
Die Betreuungsgutschriften sind ein fiktives Einkommen, das dem individuellen AHV-Konto angerechnet wird. Für jedes Jahr, in dem eine versicherte Person Angehörige betreut hat, werden ihr Gutschriften angerechnet. Diese Gutschriften sind keine Geldzahlungen, sie können aber die AHV-Rente von betreuenden Angehörigen verbessern.
In der AHV gibt es auch Erziehungsgutschriften, bei denen die Jahre angerechnet werden, in denen eine versicherte Person Kinder unter 16 Jahren betreut hat. Die beiden Massnahmen können nicht kumuliert werden.
Das ändert sich: Der Anspruch auf Betreuungsgutschriften wird erweitert (weitere Informationen dazu bei der nächsten Frage).
Personen, die in der AHV versichert sind (in der Schweiz leben oder arbeiten), das ordentliche Rentenalter noch nicht erreicht haben (Frauen: 64 Jahre / Männer: 65 Jahre) und eine Verwandte oder einen Verwandten betreuen. Als Verwandte gelten die Ehegattin bzw. der Ehegatte, Kinder, Eltern, Geschwister, Grosseltern, Urgrosseltern, Enkel, Schwiegereltern und Stiefkinder.
Das ändert sich: Seit dem 1. Januar 2021 gelten auch die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner, die oder der mit der arbeitnehmenden Person seit mindestens fünf Jahren einen gemeinsamen Haushalt führt, als Verwandte und begründen den Anspruch auf Betreuungsgutschriften.
Die Verwandten müssen pflegebedürftig sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie von der AHV, der IV, der Unfall- oder der Militärversicherung eine Hilflosenentschädigung beziehen. Der Hilflosenentschädigung gleichgestellt ist die Hilflosenentschädigung an pflegebedürftige Minderjährige. Ausserdem muss die pflegebedürftige Person leicht erreichbar sein, das heisst während mindestens 180 Tagen im Jahr dürfen pflegende Person und pflegebedürftige Person nicht weiter als 30 Kilometer oder höchstens eine Stunde voneinander entfernt wohnen.
Das ändert sich: Neu begründet auch eine Hilflosigkeit leichten Grades den Anspruch auf Betreuungsgutschriften.
Die Betreuungsgutschrift entspricht der dreifachen jährlichen Minimalrente zum Zeitpunkt des Rentenanspruchs. Die Summe der Betreuungsgutschriften wird durch die Beitragsdauer geteilt und dann zum durchschnittlichen Erwerbseinkommen dazugezählt. Beteiligen sich mehrere Verwandte an der Betreuung, so wird die Betreuungsgutschrift unter ihnen aufgeteilt.
Sie müssen die Betreuungsgutschrift jährlich bei der kantonalen Ausgleichskasse im Wohnsitzkanton der pflegebedürftigen Person geltend machen. Die Ausgleichskasse prüft, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Anmeldung muss unbedingt während der Betreuung und nicht erst bei der Pensionierung erfolgen.
Weitere Informationen zu den Betreuungsgutschriften: 1.03: Betreuungsgutschriften
Hilflosenentschädigung und Intensivpflegezuschlag (AHV/IV)
Die Hilflosenentschädigung ist eine finanzielle Leistung. Sie deckt die Kosten von versicherten Personen, die für alltägliche Lebensverrichtungen oder zur Pflege sozialer Kontakte regelmässig die Hilfe Dritter benötigen oder auf lebenspraktische Begleitung angewiesen sind. Die Höhe der Leistung hängt vom Grad der Hilflosigkeit (leichter, mittlerer, schwerer Grad) ab.
Anspruch auf Hilflosenentschädigung haben IV- und AHV-Versicherte. In der IV gilt der Anspruch sowohl für Minderjährige als auch für Erwachsene. Ist nur die psychische Gesundheit beeinträchtigt, so muss bei erwachsenen Versicherten mindestens ein Anspruch auf eine Viertelsrente bestehen.
Bei Minderjährigen wird der Intensivpflegezuschlag zusätzlich zur Hilflosenentschädigung gewährt, wenn sie im Tagesdurchschnitt eine zusätzliche Betreuung von mindestens vier Stunden benötigen.
Bisher hatten Minderjährige während eines Spitalaufenthalts keinen Anspruch auf den Intensivpflegezuschlag.
Seit dem 1. Januar 2021 wird der Intensivpflegezugschlag bei Spitalaufenthalt des Kindes nicht mehr unterbrochen. Voraussetzung dafür ist, dass das Spital alle 30 Tage bestätigt, dass die Anwesenheit eines Elternteils im Spital notwendig ist und tatsächlich erfolgte.
Weitere Informationen sind in den Merkblättern der Infostelle AHV/IV zu finden:
Letzte Änderung 12.03.2025