Beschäftigen Sie ausländische Staatsangehörige oder Personen mit Wohnsitz im Ausland? Übt eine arbeitnehmende Person ihre Erwerbstätigkeit vorübergehend im Ausland aus? In welchem Land müssen diese Personen Sozialversicherungsbeiträge bezahlen? Welche Versicherung erbringt Leistungen und werden diese auch im Ausland ausgerichtet?
Zwischen der Schweiz und zahlreichen Staaten bestehen vertragliche Regelungen (Sozialversicherungsabkommen) über soziale Sicherheit. Die wichtigsten Abkommen und die wichtigsten Unterstellungsregeln werden nachfolgend vorgestellt.
Freizügigkeitsabkommen mit der EU und EFTA-Übereinkommen
Im Rahmen des seit 2002 geltenden Freizügigkeitsabkommens (FZA) zwischen der Schweiz und der EU und des revidierten EFTA-Übereinkommens (Island, Norwegen, Liechtenstein, Schweiz) wird das schweizerische System der sozialen Sicherheit mit den Systemen der EU- und der EFTA-Staaten koordiniert. Das FZA gilt für Staatsangehörige der Schweiz und der Europäischen Union, das revidierte EFTA-Übereinkommen für Staatsangehörige Islands, Norwegens, Liechtensteins und der Schweiz. Ziel ist es sicherzustellen, dass jemand, der zu Wohn- oder Arbeitszwecken in ein anderes Land wechselt, nicht benachteiligt wird. Sowohl das EFTA-Übereinkommen wie auch das FZA enthalten den Grundsatz der Gleichbehandlung: Jeder Staat muss Staatsangehörige der jeweils anderen Mitgliedstaaten bei der Anwendung seiner Gesetzgebung wie eigene Staatsangehörige behandeln. Bei Personen, die gleichzeitig in mehreren EU-Staaten oder in mehreren EFTA-Staaten arbeiten (z. B. Spediteure oder für mehrere Länder zuständige Aussendienstmitarbeiter), ist grundsätzlich jeweils nur ein Staat für die Beitragspflicht zuständig. Innerhalb des Geltungsbereichs des FZA und des EFTA-Übereinkommens gelten umfassende Regeln zur Koordinierung der Leistungspflicht zwischen den Mitgliedstaaten. Die Wichtigsten sind folgende:
Eine Person, die in mehreren Staaten gearbeitet hat, erhält im Rentenfall grundsätzlich je eine Teilrente von jedem Beschäftigungsland. Voraussetzung ist, dass sie in jedem Land mindestens ein Jahr lang Beiträge bezahlt hat und die Mindestversicherungszeit des jeweiligen Staates erfüllt ist. Dafür werden nötigenfalls die Versicherungszeiten aller Staaten berücksichtigt.
Wer in einem dieser Staaten (EU- oder EFTA-Staat bzw. Schweiz) im Rahmen der sozialen Krankenversicherung versichert ist, hat auch bei Wohnsitz oder Aufenthalt in einem anderen dieser Staaten Anspruch auf Krankenpflegeleistungen. Bei Aufenthalten in EU- oder EFTA-Staaten sollten deshalb in der Schweiz versicherte Personen die Europäische Krankenversicherungskarte, welche ihnen ihr Krankenversicherer ausgestellt hat, unbedingt mitnehmen. Die erforderlichen Krankenpflegeleistungen werden gemäss den Rechtsvorschriften des Aufenthalts- oder des Wohnortstaates erbracht und übernommen. Wenn sich eine Person zum Zwecke der Behandlung in einen anderen Staat begibt, werden die Leistungen nur bei vorgängiger Zustimmung ihres Krankenversicherers von diesem übernommen.
Eine Person, die einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit erleidet, erhält Leistungen vom zuständigen Versicherer. Die Kosten gehen zulasten der zuständigen Unfall- bzw. Krankenversicherung.
Innerhalb der Anwendungsgebiete des FZA und des EFTA-Übereinkommens werden Familienleistungen koordiniert, d.h. es wird sichergestellt, dass Leistungen weder doppelt ausbezahlt, noch unter Hinweis auf allfällige Leistungspflichten eines anderen Staates verweigert werden können. Für den Fall, dass für denselben Zeitraum für dieselben Familienangehörigen Ansprüche in verschiedenen Staaten bestehen, gelten folgende Prioritätsregeln: Primär gelten durch Erwerbstätigkeit ausgelöste Ansprüche, an zweiter Stelle Ansprüche infolge einer Rente und an dritter Stelle Ansprüche aufgrund des Wohnsitzes. Sind aus denselben Gründen Leistungen aus mehreren Mitgliedstaaten zu gewähren, gilt der Wohnort des Kindes als wichtigstes sekundäres Kriterium. Übersteigt die Leistung des nachrangig zuständigen Staates diejenige des vorrangig zuständigen, zahlt dieser die Differenz aus.
Abkommen mit einzelnen Vertragsstaaten
Diese Abkommen beruhen im Wesentlichen auf den gleichen Grundsätzen wie das Freizügigkeitsabkommen, sind aber weniger umfassend.
Zum Teil gelten gewisse Bestimmungen (insbesondere zur sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung und zu Entsendungen) der Abkommen auch für Drittstaatsangehörige. Weitere Informationen sowie die Liste der Sozialversicherungsabkommen sind abrufbar unter:
Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU (Brexit)
Das Vereinigte Königreich (UK) hat die Europäische Union (EU) verlassen. Das Freizügigkeitsabkommen und die EU-Koordinierungsverordnungen, die die soziale Sicherheit im Verhältnis CH-UK regeln, sind nicht mehr anwendbar.
Schutz der erworbenen Rechte
Die Schweiz und das Vereinigte Königreich haben ein Abkommen über die Rechte der Bürgerinnen und Bürger ausgehandelt. Nach diesem Abkommen ändert sich für Personen, die vor dem 1. Januar 2021 dem FZA unterlagen, im Bereich der sozialen Sicherheit möglichst wenig und die aufgrund des FZA erworbenen Rechte werden geschützt.
Neues Sozialversicherungsabkommen CH-UK
Die Schweiz und das Vereinigte Königreich haben ein neues Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen, das seit dem 1. November 2021 vorläufig anwendbar war und seit dem 1. Oktober 2023 in Kraft ist.
Das Abkommen enthält grundsätzlich dieselben Koordinierungsgrundsätze wie das FZA (Gleichbehandlung, Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften, Zusammenrechnung der Versicherungszeiten, Leistungsexport (aber ohne ALV) etc.). Die Bestimmungen aus dem EU-Koordinationsrecht wurden abgespeckt und auf die Bedürfnisse der beiden Staaten zugeschnitten.
Weitere Informationen hierzu finden Sie auf der Internetseite des BSV:
Geht es um die Frage, in welchem Land sich eine Person den Sozialversicherungen anschliessen muss, spricht man im Fachjargon von der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung. Für KMUs werden Unterstellungsfragen spätestens dann relevant, wenn eine Expansion ins Ausland geplant wird, eigene Mitarbeiter zu Kunden ins Ausland entsandt werden oder Personal mit Wohnsitz im Ausland eingestellt wird. Die wichtigsten Regeln sind folgende:
Grundsätzlich gilt das Erwerbsortsprinzip, d.h. eine Person, die ihre Erwerbstätigkeit gewöhnlich in nur einem Staat ausübt, unterliegt auch dem Sozialversicherungsrecht dieses Staates – unabhängig vom Wohnsitz. Ein Schweizer, der in der Schweiz wohnt und für einen schweizerischen Arbeitgeber ausschliesslich in Italien tätig ist, untersteht folglich dem italienischen Sozialversicherungsrecht.
Ausländische Arbeitnehmende, die den schweizerischen Rechtsvorschriften unterstehen, sind bei den gleichen Stellen anzumelden wie schweizerische Arbeitnehmende.
Entsandte, d.h. Personen, die für ihren Arbeitgeber vorübergehend in einem EU-, EFTA- oder Vertragsstaat arbeiten, können für begrenzte Zeit dem schweizerischen Recht unterstellt bleiben und werden von der Beitragspflicht im Ausland befreit. Dasselbe gilt umgekehrt auch für Personen, die vorübergehend aus einem EU-, EFTA- oder Vertragsstaat in die Schweiz entsandt werden – diese bleiben im Herkunftsland versichert und werden von der Beitragspflicht in der Schweiz befreit.
Die Situation von nichterwerbstätigen Familienangehörigen, die Entsandte begleiten, ist je nach Abkommen unterschiedlich geregelt. Es empfiehlt sich, im Bedarfsfall das entsprechende Abkommen zu konsultieren resp. rechtzeitig die Ausgleichskasse zu kontaktieren.
Detaillierte Informationen enthalten die Entsendungsmerkblätter des BSV unter folgender Internetadresse:
Letzte Änderung 04.12.2023