2. Abkommen mit einzelnen Vertragsstaaten
Allgemeines
Die Schweiz hat mit verschiedenen Staaten ausserhalb der EU/EFTA zweiseitige Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen. Es gibt zwei Kategorien von Abkommen, sogenannte Vollabkommen und Entsendeabkommen. Während in den Vollabkommen auch Leistungen koordiniert werden, beschränken sich die Entsendeabkommen auf die Regelung der anwendbaren Rechtsvorschriften bei der Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den anderen Vertragsstaat und die Rückerstattung von Beiträgen.
Gewisse alte zweiseitige Abkommen mit den EU- und EFTA-Staaten gelten weiterhin für Dittstaatangehörige, die nicht in den persönlichen Geltungsbereich des Freizügigkeitsabkommens mit der EU oder des EFTA-Übereinkommens fallen.
2.1 Vollabkommen
Sachlicher Geltungsbereich
Die Abkommen beziehen sich jeweils auf die Versicherungszweige Rentenversicherung (Schweiz: AHV/IV), zumeist auf die Unfallversicherung, in beschränkter Weise auf die Krankenversicherung sowie auch auf die Familienzulagen (Schweiz: mit Ausnahme des Abkommens mit Liechtenstein nur bundesrechtliche Ordnung für die Landwirtschaft). Nicht eingeschlossen ist die Arbeitslosenversicherung. Für diesen Bereich bestehen zwischen der Schweiz und den Nachbarstaaten eigene Verträge. Auskunft über die zuletzt genannten Abkommen erteilt das Staatssekretariat für Wirtschaft.
Persönlicher Geltungsbereich
Der persönliche Geltungsbereich umfasst jeweils die Staatsangehörigen der beiden Staaten, Flüchtlinge und Staatenlose und hinsichtlich einzelner Bestimmungen (z.B. entsandte Arbeitnehmende, Leistungsaushilfe in der Krankenversicherung im Verhältnis zu Deutschland bzw. Regelungen über die Unfallversicherung) auch Staatsangehörige dritter Staaten.
Grundsatz der Gleichbehandlung
Der wichtigste Grundsatz in allen Abkommen ist die Verpflichtung zur Gleichbehandlung. Staatsangehörige des Partnerstaates sind in Bezug auf die schweizerischen Versicherungen gleich wie schweizerische Staatsangehörige und schweizerische Staatsangehörige in der Versicherung des Partnerstaates wie dessen Bürgerinnen und Bürger zu behandeln.
Anwendbare Gesetzgebung
Die Abkommen bestimmen, welche Gesetzgebung anwendbar ist. Dadurch wird vermieden, dass eine Person, die im einen Staat wohnt und im anderen arbeitet oder sogar in beiden Staaten erwerbstätig ist, für das gleiche Einkommen in beiden Staaten Beiträge zahlen muss. Bei dieser Abgrenzung der Versicherungsunterstellung folgen alle unsere Verträge dem Grundsatz der Unterstellung am Erwerbsort. Für gewisse Beschäftigtenkategorien, z.B. für entsandte Arbeitnehmende, die für einen Arbeitgeber in der Schweiz vorübergehend im Partnerstaat arbeiten, gelten besondere Vorschriften (vgl. Entsendungsmerkblatt (ohne EU/EFTA)).
Besondere Regelungen für die einzelnen Leistungsarten
Im Leistungsbereich sollen die Abkommen gewährleisten, dass eine Person, die Beiträge bezahlt hat, im Versicherungsfall auch zu ihrer Leistung kommt.
a. Alters- und Hinterlassenenversicherung
Wenn ein Vertragsstaat für den Erwerb von Ansprüchen auf Alters- und Hinterlassenenrenten mehrjährige Mindestversicherungszeiten verlangt, werden schweizerische AHV-Beitragszeiten berücksichtigt, so als wäre die Person im betreffenden Land versichert gewesen. Dadurch kommen auch schweizerische Staatsangehörige, die nur wenige Jahre im betreffenden Land arbeiteten, in den Genuss ausländischer Renten. Umgekehrt erhalten Staatsangehörige des Partnerstaates schweizerische AHV-Renten, wenn sie die schweizerische Mindestbeitragsdauer von einem Jahr und die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.
Die Rente wird entsprechend der Beitragsdauer im jeweiligen Staat berechnet. Wer in der Schweiz und im Partnerstaat versichert war, erhält je eine Teilrente beider Länder.
Die Abkommen garantieren die Rentenzahlung ins Ausland (Partnerstaat und zumeist auch Drittstaaten).
b. Invalidenversicherung
In der Invalidenversicherung gibt es zwei Vertragstypen. Nach dem Prorata-Prinzip erhält eine Person mit Versicherungszeiten in beiden Staaten im Invaliditätsfall eine Teilrente jedes Staates, wenn sie die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt. Nach dem Risiko-Prinzip erhält die Person eine Rente des Vertragsstaates, dessen Versicherung sie bei Invaliditätseintritt angehörte. Wird eine Person in der Schweiz invalid, so wird nach diesen Verträgen ihre schweizerische Rente aufgrund ihrer schweizerischen Beitragszeiten und der Beitragszeiten des betreffenden Vertragsstaates berechnet. Wird sie im Partnerstaat invalid, so erhält sie eine Rente des Partnerstaates, die unter Anrechnung auch der schweizerischen Versicherungszeiten festgesetzt wird. Besondere Regeln gelten, wenn die Person bei Invaliditätseintritt in einem Drittstaat versichert ist. Die Abkommen garantieren die Auszahlung der erworbenen Renten ins Ausland (Partnerstaat und zumeist auch Drittstaaten).
c. Krankenversicherung
In der Krankenversicherung erleichtern die Abkommen durch Anrechnung von Versicherungszeiten je nachdem die Aufnahme in die Versicherung des anderen Vertragsstaates oder den Erwerb von Leistungsansprüchen. Schweizerischerseits betrifft dies nur die Taggeldversicherung, weil für die Aufnahme in die Krankenpflegeversicherung keine einschränkenden Bedingungen gelten. Nur das Abkommen mit Deutschland sieht eine umfassende Regelung einschliesslich Leistungsaushilfe bei Krankheit und Unfall im jeweils anderen Vertragsstaat vor. Diese Regelung gilt auch für Staatsangehörige von Drittstaaten.
d. Unfallversicherung
In der Unfallversicherung regeln die Abkommen die gegenseitige Leistungsaushilfe. Wer z. B. in der Schweiz versichert ist und im Ausland verunfallt, wird wie ein dort Versicherter behandelt. Die Kosten werden später der Versicherung des Verunfallten in Rechnung gestellt. Ein Teil der Verträge enthält zudem Sondervorschriften für die Leistungsabgrenzung, z.B. für den Fall, dass jemand bei seiner Arbeit in beiden Staaten einem schädigenden Stoff ausgesetzt war und deswegen eine Berufskrankheit erlitten hat.
e. Familienzulagen
Bei den Familienzulagen beziehen sich die Abkommen schweizerischerseits in der Regel nur auf die bundesrechtlichen Zulagen für die Landwirtschaft. Auf der Seite des Partnerstaates sind jeweils nicht nur die Regelungen für die Landwirtschaft, sondern auch die Zulagen für die anderen Personenkategorien eingeschlossen. Durch das Abkommen erhält eine Person, die in einem Staat erwerbstätig ist, Familienleistungen auch dann, wenn ihre Kinder im anderen Staat wohnen.
Der Anspruch auf kantonale Familienzulagen richtet sich nach den kantonalen Gesetzen.
2.2 Entsendeabkommen
Allgemein
Die Entsendeabkommen bestimmen, welche Gesetzgebung auf eine entsandte Arbeitnehmerin bzw. einen entsandten Arbeitnehmer anwendbar ist. Durch diese Unterstellungsregelung wird vermieden, dass eine Person, die von ihrem Arbeitgeber mit Sitz in einem Vertragsstaat in den anderen Vertragsstaat entsandt wird, in den Sozialversicherungssystemen beider Vertragsstaaten versicherungs- und beitragspflichtig ist (vgl. Entsendungsmerkblatt (ohne EU/EFTA)).
Sachlicher Geltungsbereich
Die Entsendeabkommen beziehen sich immer auf die Versicherungszweige der Rentenversicherung (Schweiz: AHV/IV). Je nach Abkommen hat man sich auf den Einbezug weiterer Sozialversicherungszweige wie die Unfallversicherung und die Krankenversicherung geeinigt. Dies bedeutet unter Umständen eine doppelte Unterstellung in beiden Vertragsstaaten bei anderen Versicherungszweigen (z.B. Unfall- und Krankenversicherung).
Persönlicher Geltungsbereich
Unabhängig von der Staatsangehörigkeit sind die Entsendeabkommen auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anwendbar, die von einem Arbeitgeber mit Sitz in einem Vertragsstaat vorübergehend in den anderen Vertragsstaat entsandt werden.