Die schweizerische Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge basiert auf drei Säulen: staatliche, berufliche und private Vorsorge. Das System ermöglicht eine optimale Ausrichtung auf die Bedürfnisse der verschiedenen Bevölkerungsgruppen sowie eine optimale Verteilung der Finanzierungsrisiken. Die drei Säulen haben unterschiedliche Aufgaben und sind auch unterschiedlich geregelt. Der bedeutendste Teil dieses Sozialsystems ist die Altersvorsorge.
In der Altersvorsorge ermöglichen die unterschiedlichen Finanzierungssysteme eine Verteilung der Finanzierungsrisiken. Das Dreisäulenprinzip ist daher robuster als ein Vorsorgesystem, das ausschliesslich auf eine einzige Säule setzt.
Die drei Säulen des Vorsorgesystems
Die staatliche Vorsorge ist die AHV. Sie sichert den Grundbedarf der ganzen Bevölkerung. Das Gesetz schreibt vor, wie hoch die Beiträge sind, welche Leistungen ausgerichtet werden und wie sie berechnet werden. Wenn das Renteneinkommen nicht zur Existenzsicherung ausreicht, helfen ausserdem Ergänzungsleistungen (EL), den nötigen Lebensbedarf zu decken.
Die staatliche Altersvorsorge beruht auf dem Umlageverfahren. Dabei fliesst das Geld, das die AHV von den aktiven Versicherten einnimmt, direkt zu den Pensionierten. Es wird nicht auf die Seite gelegt. Das Umlageverfahren hat einen grossen Vorteil: Weil die Einnahmen umgehend wieder ausgegeben werden, spielen die Zinsentwicklung und die Teuerung eine untergeordnete Rolle. Das Verfahren hat aber auch Nachteile: Nimmt die Zahl der Rentenbeziehenden im Verhältnis zu den Beitragszahlenden zu, können Einnahmen und Ausgaben aus dem Gleichgewicht geraten. Das Umlageverfahren ist auch stark vom Gang der Wirtschaft abhängig. Wenn diese gut läuft und die Lohnsumme zunimmt, stärkt dies das Fundament der AHV. Hingegen in Krisenzeiten mit hoher Arbeitslosigkeit und tiefen Löhnen fehlen Einnahmen und es drohen Defizite.
Die berufliche Vorsorge soll es ermöglichen, den gewohnten Lebensstandard in einer angemessenen Weise weiterzuführen. Erwerbstätige sind dafür obligatorisch oder freiwillig einer Pensionskasse angeschlossen. Diese werden von den Sozialpartnern geleitet, also von Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Sie bestimmen gemeinsam, welche Leistungen die Pensionskasse ausrichtet und wie sie finanziert werden. So können sie auf die Bedürfnisse der Versicherten eingehen. Das Gesetz schreibt aber bestimmte Mindestanforderungen vor.
Die Finanzierung der beruflichen Vorsorge beruht auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Die Versicherten einer Pensionskasse bezahlen die Beiträge ein, die Pensionskasse legt das gesammelte Kapital an. Wenn eine versicherte Person pensioniert wird, wandelt die Pensionskasse ihr Guthaben in eine Rente um. Die versicherte Person kann aber auch verlangen, dass sie das Guthaben ganz oder teilweise als Kapital erhält. Die Einzelheiten der Kapitalauszahlung sind im Reglement der Pensionskasse festgehalten. Die Versicherten einer Pensionskasse sparen also für ihre eigenen späteren Leistungen. Es spielt daher keine Rolle, wenn sich die Anzahl der Rentenbeziehenden im Verhältnis zur Anzahl der Beitragszahlenden verändert. Hingegen ist die steigende Lebenserwartung von Bedeutung, weil die Renten länger ausbezahlt werden müssen. Auch die Teuerung, niedrige Zinsen und Erwerbsunterbrüche führen im Kapitaldeckungsverfahren zu tieferen Renten, weil dann bis zur Pensionierung ein kleineres Guthaben zusammenkommt.
Mit der privaten Vorsorge sollen zusätzliche individuelle Bedürfnisse gedeckt werden. Sie ermöglicht es den Erwerbstätigen, einen bestimmten Betrag auf ein Bankkonto oder in eine Lebensversicherungspolice einzuzahlen. Die Einzahlungen können vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Das angesparte Geld bleibt – mit gewissen Ausnahmen – bis zur Pensionierung blockiert. Dann wird es ausbezahlt und kann frei verwendet werden.
Die private Vorsorge funktioniert nach dem Prinzip einer Sparkasse. Was einbezahlt wurde, wird samt Zinsen im Alter wieder ausbezahlt. Die private Vorsorge setzt voraus, dass jemand über ein relativ gutes Einkommen verfügt und etwas davon auf die Seite legen kann. Man kann die Beiträge auf die eigene finanzielle Situation abstimmen. Die Teuerung und tiefe Zinsen wirken sich auf das Ergebnis des Sparprozesses und damit auf die Leistung bei der Pensionierung aus.
Es kommt vor, dass die Leistungen der Altersvorsorge nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt im Alter zu bestreiten. Das ist typischerweise bei Personen der Fall, die nicht erwerbstätig waren oder nur wenig verdient haben und darum nicht in die zweite oder dritte Säule einzahlen konnten. Häufig betrifft das auch Personen, die im Alter auf Pflege angewiesen sind und in einem Heim wohnen. Heimkosten übersteigen die finanziellen Möglichkeiten von Pensionierten häufig.
In diesen Fällen besteht ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL). Mit den EL kann die Differenz zwischen den Ausgaben und ungenügenden Einnahmen ausgeglichen werden.
1972 - 2022: 50 Jahre Dreisäulenkonzept
Am 3. Dezember 1972 stimmten Volk und Kantone der verfassungsrechtlichen Verankerung des Dreisäulenkonzepts zu. Ebenso deutlich verwarfen sie die Initiative der Partei der Arbeit für eine «wirkliche Volkspension». In der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung um existenzsichernde Altersrenten war diese Abstimmung weichenstellend. Denn damit gelang es den Befürwortern des Dreisäulenkonzepts, ihr Modell als Grundprinzip der sozialen Sicherung zu etablieren.
Weshalb vermochte sich das Dreisäulenkonzept durchzusetzen und bislang zu halten? Und hätte die Geschichte auch anders ausgehen können? Wo stehen wir heute? Und welche Herausforderungen erwarten uns?
Schwerpunkt in der «Sozialen Sicherheit CHSS»
Aus Anlass des Jubiläums beleuchtete die «Soziale Sicherheit CHSS» das Thema 2022 in einer Beitragsserie aus unterschiedlicher Perspektive.
Welche Herausforderungen stellen sich heute?
Bundesrat Alain Berset im Interview
Letzte Änderung 26.10.2023